Studienmodell 9: Elektroenergiesysteme und Hochspannungstechnik

Deutschland will weltweit Vorreiter in Sachen Erneuerbare Energie werden. Die Ziele der Energiewende sind ambitioniert und sollen den CO2-Ausstoß drastisch senken, einmal durch den effizienteren Umgang mit Energie und zum anderen durch deutlich verstärkte Nutzung regenerativer Energien. Hinzu kommt - zumindest in Deutschland - die Abkehr von der Kernenergie. Dieser Wandel betrifft nicht nur die Energieerzeugung sondern insbesondere auch die Energienetze, insbesondere das elektrische Energienetz, aber auch das Gasnetz. Lösungen, an denen die Forschung derzeit arbeitet sind neue Speichertechnologien und deren Energiemanagement, die Entwicklung der Elektromobilität und die Anpassung der Netze an die neuen Anforderungen. Hierbei geht es um die intelligente Betriebsführung (Management) der Verteilnetze und um neue Technologien im Übertragungsnetz. Zu letzterem gehört insbesondere der Ausbau einzelnen HVDC-Verbindungen (HVDC = Hochspannungsgleichstrom) zu einem Gleichstromnetz. Ein HVDC-Netz gibt es bis heute noch nicht und ist Gegenstand der aktuellen Forschung. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben ist die Nachfrage nach gut ausgebildeten Ingenieuren der elektrischen Energietechnik enorm - sowohl seitens der Industrie als auch der Energieversorgungsunternehmen. Aufgrund der umfassenden Neuorganisation der elektrischen Energieversorgung vom Ersatz älterer Kraftwerke durch neue Anlagen, insbesondere auch dezentraler Kleinkraftwerke, über die Einbindung von Speichern in Form der Batterien verschiedenster Art und Größe bis hin zu flexiblen Endverbrauchern bieten sich dem Ingenieur neue Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten.

Der Begriff „Elektroenergiesysteme“ umfasst dabei alle zur Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischer Energie notwendigen Anlagen und Komponenten. Das reicht von Einzelkomponenten wie z. B. den Netzbetriebsmitteln (Transformatoren, Kabelsysteme oder Frequenzumrichter) über moderne Anlagen zur Steuerung der Leistungsflüsse in elektrischen Netzen auf der Basis von Leistungshalbleiterbauelementen (Flexible AC Transmission Systems, FACTS und HVDC-Übertragungssysteme) bis hin zur Optimierung des gesamten Energiesystems, z. B. durch Betrachtung des elektrischen Energienetzes und des Gasnetzes als eine Einheit. Das Aufgabenfeld der Elektroenergie-Ingenieurs reicht von der Grundlagenentwicklung neuer Technologien und Konzepte, z. B. neuer Schaltungs- oder Regelungskonzepte für HVDC-Anlagen über die Entwicklung neuer technischer Lösungen, z. B. DC-Leistungsschalter, bis hin Optimierung des Netzbetriebs unter der Randbedingung der Wirtschaftlichkeit durch neuartige Algorithmen.

Derzeit findet ein Umbruch der elektrischen Energieversorgung statt. An vielen Stellen wird Neuland betreten, was gerade jungen und gut ausgebildeten, hoch motivierten Ingenieuren Chancen für die Gestaltung unserer Zukunft und ihrer Arbeit bietet. Deutschland hat in vielen Bereichen der elektrischen Energietechnik die Technologieführerschaft. Oft werden große Projekte im internationalen Rahmen bearbeitet, was exzellente Chancen für entsprechend qualifizierte Ingenieure im In- und Ausland mit sich bringt.

 Um dieser Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten gerecht werden zu können, legt das Modell „Elektroenergiesysteme und Hochspannungstechnik“ im festen Modellfachbereich zunächst eine breite Wissensbasis: „Batterien und Brennstoffzellen“, „Optimierung dynamischer Systeme“, „Leistungselektronik“ und „Numerische Methoden“. Die Spezialisierung im Bereich der elektrischen Energienetze erfolgt durch die Vorlesungen „Berechnung elektrischer Energienetze“, „Energieübertragung und Netzregelung“ sowie „Hochspannungstechnik I“ und „Hochspannungstechnik II“ und „Hochspannungsprüftechnik“. Ergänzt wird dieser Fächerkanon durch das Energietechnische Praktikum, welchen gemeinsam vom IEH und dem ETI veranstaltet wird. Im Sinne einer breiten Ausbildung ist es empfehlenswert, sich im Wahlfachbereich thematisch nicht zu sehr einzugrenzen. Energietechnik-Ingenieure sollten auf ein breites Wissen auch aus anderen Fachgebieten verfügen, dazu kann der Wahlfachbereich in idealer Weise genutzt werden.

 

Forschung am IEH

Das IEH widmet sich in der Forschung den zur Übertragung und Verteilung elektrischer Energie notwendigen Anlagen, Systemen und Komponenten. Die Forschungsarbeiten lassen sich grob in die Bereiche „Transportnetz“, „Verteilnetz“ und „Komponenten“ aufteilen. Im Bereich Transportnetz“ geht es um die Betriebsführung des HVAC-Netzes und von HVDC-Übertragungssystemen sowie um das Design und die Betriebsführung eines dem Drehstromnetz überlagerten Hochspannungsgleichstromnetzes (HVDC-Netz). Hier sollen neue Ansätze untersucht werden, wie z. B. eine Abkehr von der strikten Vorgabe der Netzfrequenz von 50Hz, sondern die Aufweitung zu einem Frequenzbereich, in dem sich die Netzfrequenz bewegen kann. Weiterhin werden sogenannte netzbildende Umrichterregelungen entwickelt und an einem Prüfstand erprobt. Diese sind in der Lage, Momentanreserve bereitzustellen – eine Aufgabe, die bislang die Synchrongeneratoren großer thermischer Kraftwerke übernehmen. Im Bereich „Verteilnetz“ werden die Integration von Speichersystemen und die Sektorenkopplung, also die Kopplung zwischen Strom-, Gas- und Wärmenetz untersucht. Hierzu wird das Gebäude 30.36 zu einem „Smart Energy Office Building, SEOB“ umgebaut. Zur Ausrüstung des SEOB gehören ein Elektrolyseur, ein Wasserstoffspeicher, eine Brennstoffzelle, verschiedene stationäre Batteriespeicher, ein rückspeisefähiges Elektrofahrzeug und PV-Anlagen auf der Erzeugungs- und Speicherseite. Auf der Lastseite stehen neben der Werkstatt des IEH insbesondere die Labore und die Büros, von denen jeweils die konsumierte elektrische Leistung gemessen wird. Denkbar ist auch eine Steuerung von bestimmten Versuchen auf Basis des Energieangebotes. Letztlich geht es um die Frage, wie ein optimaler wirtschaftlicher Betrieb in einem typischen Bürogebäude mit Laboren erreicht werden kann. Damit soll auch der Ansatz, das KIT rein regenerativ zu versorgen, unterstützt werden.

 

Eine Zusammenstellung der wählbaren Modellfächer finden Sie in der Modellbroschüre. Die Wahlfächer können in Absprache mit dem Modellberater entsprechend Ihren Wünschen ergänzt werden.

 

Modellbroschüre

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