Forschungsbereich Verteilnetze

Viele Experten sind sich einig: „Die Energiewende findet im Verteilnetz statt“. Tatsächlich findet sich die Mehrheit der dezentralen Erzeugungsanlagen auf Niederspannungsebene wieder – und mit dem erwarteten Elektromobilitäts-Boom wird sich durch die Integration der Ladeinfrastruktur weiterhin viel im Verteilnetz bewegen. Die Forschungsgruppe Verteilnetze leistet mit ihren Forschungstätigkeiten einen Beitrag zum stetigen Wandel des Energieversorgungssystems hin zum Smart Grid. Die Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Regionalisierung der Energieversorgung durch Kopplung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen sowie der Integration von Erneuerbaren Energien, Batteriespeichern und variablen Verbrauchern, v.a. Elektrofahrzeuge und Smart Homes. Die Kompetenzen im Bereich der simulationsbasierten Systemmodellierung, Netzplanung und Betriebsoptimierung sowie das Knowhow in der Kopplung von Simulation und Hardwareaufbauten werden in verschiedenen Forschungsprojekten und Industriekooperationen fortwährend eingebraucht und vertieft. Vor allem in der Betriebsoptimierung werden die Schnittstellen zur Forschungsgruppe Transportnetze genutzt. Mit Realisierung des Power Hardware-in-the-Loop Aufbaus wird die Schnittstelle zur Forschungsgruppe Komponenten vertieft.

Forschungsschwerpunkte im Bereich Verteilnetze

Formulierung der Flexibilitätsbereitstellung in zellularen Energienetzen
Selbstlernende Algorithmen zur Optimierung des Energiesystems
Sektorenkopplung

Integration neuer Komponenten in Energieverteilnetze mithilfe von Energiespeichern

Untersuchung und Modellierung von HPGL Use Cases zur Erforschung neuartiger Netzstrukturen

 

Formulierung der Flexibilitätsbereitstellung in zellularen Energienetzen

Im Zuge der Energiewende unterliegen die Leistungsflüsse im Verteilnetz großen Änderungen. Einerseits wird eine steigende Anzahl an dezentralen, auf erneuerbaren Energien basierenden Erzeugungsanlagen verzeichnet und andererseits eine sich verändernde Verbraucherlandschaft durch die Kopplung der Sektoren Wärme, Verkehr und elektrische Energie.
Damit einher gehen verschiedene Herausforderungen für den Betrieb der Verteilnetze; als Beispiel sei hier der Netzbetrieb ohne Verletzung des erlaubten Spannungsbandes sowie Betriebsmittelüberlastungen genannt. Auch ergibt sich die Fragestellung, in wie weit dezentral erzeugte elektrische Energie lokal genutzt werden kann und ob sich Synergien durch die sich gleichzeitig ändernde Erzeugungs- und Verbraucherlandschaft erzielen lassen.
Durch Sektorenkopplung und Batteriespeicher ergibt sich die Möglichkeit der Speicherung von Energie, womit die Möglichkeit der Flexibilisierung von Leistungsbezug und -bereitstellung einhergeht. Außerdem führten die Veränderungen in der Erzeugungs- und Verbrauchsstruktur zu neuen dezentralen Konzepten für das Energiesystem, wie dem Zellularen Ansatz des VDE/ETG.
Im Fokus dieser Forschungsarbeit steht die Formulierung der Flexibilitätsbereitstellung in zellularen Energienetzen und die Konzeptionierung einer hierauf beruhenden Betriebsführung zellularer Energiesysteme.

Ansprechpartner: Sina Steinle M.Sc.

 

Selbstlernende Algorithmen zur Optimierung des Energiesystems

Durch die Integration verteilter Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen in zukünftigen Verteilnetze entsteht durch deren Steuerung, sowie die Überwachung des aktuellen Netzzustandes eine große Herausforderung. Skaleneffekte bei Sensorik und verbesserte IT-Infrastruktur ermöglichen es in Zukunft große Mengen an Messdaten aus verschiedensten Datenquellen zu erheben. Diese können sowohl aus verschiedenen Energiesektoren (z.B. Stromnetz, Gasnetz oder Wärmenetz), sowie Einflussfaktoren auf Energieverbrauch und -erzeugung sein (z.B. Verkehrsdaten, Wetterdaten, Bewegungsprofile). Die sinnvolle Nutzung dieser großen Datenmengen erfordert spezielle Algorithmik, die es schafft aus großen Datenmengen sinnvolle Rückschlüsse zu ziehen. Selbstlernende, datenbasierte Verfahren bieten hier die Möglichkeit den Anforderungen an das zukünftige Energiesystem gerecht zu werden. Dabei können diese Methoden Aufgaben, wie die Regelung elektrischer Komponenten (z.B. Batterien oder Transformatoren), die Vorhersage zukünftiger Einspeisung und Verbrauch oder die Schätzung des aktuellen Systemzustands bewerkstelligen.

Ansprechpartner: Steven de Jongh M.Sc.

 

Sektorenkopplung

Im Rahmen der Umsetzung der Energiewende rückt zunehmend eine möglichst regionale Nutzung dezentraler, regenerativer Energiequellen in den Fokus. Dabei ist insbesondere eine gesamtheitliche Betrachtung verschiedener Sektoren der Energieversorgung wie Strom, Wärme und Mobilität von großer Bedeutung, um die angestrebten Klimaschutzziele zu erreichen. Vor diesem Hintergrund soll untersucht werden, wie ein optimierter, gekoppelter Betrieb von Strom- und Gasverteilnetzen oder aber auch Nahwärmenetzen zu einer Regionalisierung der Energieversorgung beitragen kann. Als Kopplungselemente der einzelnen Energieverteilnetze dienen einerseits Power-to-Gas-Anlagen, die überschüssigen Strom in Gas umwandeln, zum anderen aber auch (µ-) Blockheizkraftwerke, deren Betriebspunkt situationsabhängig gesteuert werden kann. Neben der Entwicklung von geeigneten Berechnungsmodellen zur simulativen Untersuchung des gesamtheitlichen regionalen Energiesystems stehen insbesondere mögliche Betriebsstrategien eines optimierten Energiesystems im Fokus der Untersuchungen.

Ansprechpartner: Felicitas Müller M.Sc.

 

Integration neuer Komponenten in Energieverteilnetze mithilfe von Energiespeichern

Durch die Energiewende findet eine tiefgreifende Veränderung der Struktur der Energieerzeugung in Deutschland statt. Viele kleine Erzeugungsanlagen wie z.B. PV-Anlagen oder BHKWs kommen hinzu und müssen in das bestehende System integriert werden. Ein großer Teil dieser Anlagen wird in Niederspannungsnetzen angeschlossen. Zusätzlich zur erhöhten Anzahl an Erzeugungsanlagen besteht eine weitere Herausforderung darin, dass die Energieerzeugung in vielen dieser Anlagen durch erneuerbare Energien erfolgt, welche naturgemäß volatil sind. Zukünftige Entwicklungen, wie zum Beispiel der erwartete Anstieg des Anteils von Elektrofahrzeugen im Verkehrssystem, werden zu einer weiteren Erhöhung der Komplexität in Energieverteilnetzen führen. Die Integration all dieser Komponenten in Niederspannungsnetze erfordert eine genaue Modellierung der stattfindenden Leistungsflüsse zur Planung neuer Anlagen und Überprüfung der Einhaltung geltender Vorschriften. Stationäre und mobile Energiespeicher sind eine Möglichkeit die Integration dieser Komponenten zur ermöglichen oder zu vereinfachen. Im Fokus der Forschung zu diesem Thema steht deshalb der Aufbau von Simulationsmodellen zur simulativen Betrachtung von Niederspannungsnetzen und zum optimalen Betrieb von Energiespeichern.

Ansprechpartner: Frederik Gielnik M.Sc.

Untersuchung und Modellierung von HPGL Use Cases zur Erforschung neuartiger Netzstrukturen

Im Rahmen der Energiewende ersetzt die Integration dezentraler Erzeugungsanlagen zunehmend konventionelle Kraftwerke. Gleichzeitig steigt der elektrische Energiebedarf in allen Sektoren durch den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Ein deutlicher Zubau von grünen elektrischen Erzeugungsanlagen ist somit notwendig. Diese neuen Erzeuger und Verbraucher elektrischer Energie werden dazu führen, dass das Verteilnetz an seine Kapazitätsgrenzen stößt. Auch die Spannungshaltung wird aufgrund fehlender Blindleistung der konventionellen Kraftwerke zu einer zunehmenden Herausforderung. Ein erforderlicher Netzausbau ist jedoch teuer, ressourcenintensiv und die Genehmigungsverfahren langwierig. Diese Problematiken erfordern deshalb intelligente Lösungen für vermaschte Netze, bei denen sich die Erzeugung, Umwandlung und Speicherung elektrischer Energie mittels Leistungselektronik direkt in die Nieder-, Mittel- und Hochspannungsnetze integrieren lassen. Für die Stromrichter ergeben sich neue Anforderungen wie Spannungs- und Frequenzhaltung. Neben den bestehenden Wechselstromnetzen werden auch Gleichstromnetze auf allen Spannungsebenen eine immer wichtigere Rolle spielen.

Die verschiedenen Netzszenarien und Konstellationen müssen in einer Laborumgebung ausgiebig getestet werden, bevor diese auf das reale Netz übertragen werden. Mit dem High Power Grid Lab (HPGL) lässt sich das Verhalten neuartiger Netzstrukturen und innovativer Regelungsstrategien unter weitgehend realistischen Bedingungen untersuchen. Verschiedene Netzkonstellationen und Fehlerszenarien sollen zuvor in realistischen Use Cases definiert, modelliert und experimentell untersucht werden. Echtzeitfähige Power-Hardware-in-the-Loop (PHIL) Systeme sollen es ermöglichen, das reale Stromnetz in jedem Punkt mit echten Leistungsflüssen zu simulieren. Dadurch soll die Möglichkeit geboten werden, die Interaktion der Prüflinge (DUT) mit dem Netz, einschließlich aller darin enthaltenen Subsysteme, sowie deren Auswirkungen auf das Netz in genau vorhersehbaren und reproduzierbaren Experimenten untersuchen zu können.

Ansprechpartner: Lucas Braun M.Sc.